29.03.2020 | Corona-Krise - Kurzarbeit (KUG): Fallstricke


Im Zuge der Corona Krise werde viele Unternehmen Kurzarbeitergeld beantragen. Auf einige Fallstricke sei aufmerksam gemacht, die an den verschiedenen Stellen des Verfahrens gespannt sind. Es gilt - in der Hektik der Ereignisse - nicht darüber zu fallen.

1. Einführung von Kurzarbeit

Arbeitsvertrag

Die erste Hürde findet sich in den Arbeitsverträgen. Im besten Fall hat sich der Arbeitgeber darin das Recht einräumen lassen, einseitig die Kurzarbeit anordnen zu dürfen.
Oft fehlt es aber an einer solchen Regelung. Dann bedarf es einer Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages. Entweder beide Seiten einigen sich in der konkreten Krisensituation und begrenzt auf diese auf die Einführung von Kurzarbeit für einen bestimmten Zeitraum oder beide Seiten einigen sich darauf, dass der Arbeitgeber generell und auch in künftigen Krisen Kurzarbeit einseitig anordnen darf.
Egal welcher der beschriebenen Möglichkeiten (aktuell oder generell) gewählt wird, die Arbeitnehmer müssen mit der Änderung ihrer Arbeitsverträge einverstanden sein.
Sind sie es nicht, so besteht für den Unternehmer nur die Möglichkeit des Ausspruchs betriebsbedingter Änderungskündigungen mit dem Folgeproblem, dass erst nach Ablauf der Kündigungsfrist die Kurzarbeit angeordnet werden kann, wenn keine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ausgesprochen wird, deren Voraussetzungen oftmals nicht vorliegen. Im Bereich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetztes ist jede der erklärten Änderungskündigungen, egal ob fristgemäß oder außerordentlich, einer inhaltlichen Überprüfung der betriebsbedingten Gründe durch die Arbeitsgerichte unterworfen.
Der Weg über Änderungskündigungen beinhaltet also eine Menge von Schwierigkeiten. Die individualvertragliche Lösung ist aus Sicht des Unternehmers zu bevorzugen.

Betriebsvereinbarung/Tarifvertrag

Besteht ein Betriebsrat, so kann mit diesem eine Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit geschlossen werden, soweit das Thema nicht bereits durch einen Tarifvertrag geregelt ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes).

Sorgfalt bei der Formulierung

Aber zurück zu den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die zu schließen sind, wenn kein Tarifvertrag und keine Betriebsvereinbarung helfen. Kleinere Fallstricke findet man bereits an dieser Stelle. Die Textauswahl der Vereinbarung sollte durchaus sorgfältig vorgenommen werden. Anzutreffen sind in der Praxis manchmal schlichte Falschbezeichnungen. So werden Individualvereinbarungen mit Arbeitnehmern gern als Betriebsvereinbarungen bezeichnet, die allerdings nur der Betriebsrat schließen kann. Auch finden sich in den Texten oftmals unnütze Bestimmungen, die die Wirksamkeit der gesamten Vereinbarung in Frage stellen. In der Kürze liegt die Würze. Auch empfiehlt es sich, jeden Mitarbeiter die wirkliche freie Entscheidung darüber zu lassen, ob er die Anordnung von Kurzarbeit akzeptiert oder nicht. Sollte sich später - beispielsweise bei nicht sorgfältiger Textauswahl - die Unwirksamkeit der Vereinbarung herausstellen, hat der Arbeitnehmer trotz angeordneter Kurzarbeit Anspruch auf die Vergütung in voller Höhe und auch die Bundesagentur für Arbeit ist nicht verpflichtet, den Arbeitsausfall zu erstatten.

2. Wesentliche Voraussetzungen des KUG

Ist die Hürde der vertraglichen Vereinbarung genommen, so wird Kurzarbeitergeld bei Vorliegen der im § 95 SGB III vorliegenden Voraussetzungen gezahlt. Danach besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen sowie die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Diese Voraussetzungen bergen ebenfalls einige Fallstricke, über die der Unternehmer nicht stolpern sollte.

Form der Anzeige

Der Arbeitsausfall ist schriftlich anzuzeigen, § 99 SGB III. Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist.

Die Formalien der Anzeige sind schnell erklärt. Es gibt ein Formular der Bundesagentur für Arbeit, welches herunterzuladen, auszufüllen, zu stempeln und zu unterzeichnen ist. Die Anzeige kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. Für die elektronische Anzeige wurde durch die Bundesagentur für Arbeit die Plattform eServices eingerichtet, die den Anzeigevorgang beschleunigt und dessen Nutzung zu empfehlen ist. Auf diesem Wege ist die Anzeige schneller bei dem zuständigen Sachbearbeiter als auf dem konventionellen Postweg.

Gründe des Arbeitsausfalls

Zwingende Voraussetzung für eine wirksame Anzeige, ohne die das Kurzarbeitergeld nicht bezahlt wird, ist, dass der erhebliche Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld bereits in der Anzeige glaubhaft zu machen sind, § 99 Abs. 1 Satz 4 SGB III. Das aktuelle Formular der Bundesagentur für Arbeit sieht dafür ein wenig Platz vor und verweist darauf, den Arbeitsausfall ausführlich zu begründen und ggf. auf einem gesonderten Blatt fortzusetzen. Konkret wird nach den Ursachen des Arbeitsausfalls gefragt und Vergleichswerte sollen vorgelegt werden, die die Unterauslastung belegen. Sogleich sind Angaben zu Produkten/Dienstleistungen und Hauptauftraggebern und Hauptauftragnehmern zu machen. Die vorübergehende Natur des Arbeitsausfalls ist zu belegen.

An dieser Stelle ist in der Praxis eine gewisse Oberflächlichkeit bei der Begründung festzustellen, die Gründe werden oft unzureichend, verkürzt oder gar verkehrt dargestellt. Dabei handelt es sich wohl um die am häufigsten genommenen Fallstricke, die manchmal ein späteres böses Erwachen des Antragstellers zur Folge haben.
Konkret zu finden sind sehr oberflächliche Formulierungen wie etwa, dass aufgrund einer Krise (Weltwirtschaft, Euro oder Corona) es zu Auftragsrückgang gekommen ist. Manchmal wird Bezug genommen auf eine allgemeine Verlangsamung der Konjunktur und einen damit einhergehenden Umsatzrückgang. Auch die Zahlungsmoral wird manchmal angeführt. Alles dies ist aber oft zu wenig um eine ausreichende Begründung im Sinne des Gesetzes zu sein.

Sinn und Zweck

Um zu wissen, was genau hineingeschrieben gehört, sollte man sich am Sinn und Zweck des Gesetzes orientieren, also die Frage beantworten, für welche Fälle es denn nun Kurzarbeitergeld gibt und für welche nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist ein Arbeitsausfall erheblich im Sinne des Gesetzes, wenn er Ergebnis einer allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ist. Der Begriff schließt deshalb alle Arbeitsausfälle ein, die sich aus der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konjunkturvorgänge, den Veränderungen des Wirtschaftskreislaufes und damit aus der Teilhabe des Betriebes am Wirtschaftsleben ergeben (Bundessozialgericht vom 29.04.1998, B 7 AL 102/97 R). Ein „Beruhen“ des Arbeitsausfalls auf solchen Gründen ist dann anzunehmen, wenn diese Gründe ursächlich im Sinne einer wesentlichen Bedingung für den Arbeitsausfall gewesen sind.
In der aktuellen Corona-Krise spricht auf den ersten Blick sicher vieles dafür, dass der Grund für Arbeitsausfälle, die ihren Anfang frühestens Mitte März 2020 genommen haben, in der Corona-Krise zu suchen sind. Dies entbindet aber nicht von einer sorgfältigen Begründung. Kein Kurzarbeitergeld ist in anderen Fällen des Arbeitsausfalls zu gewähren. Es gibt keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn der Arbeitsausfall vermeidbar war. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitsausfall überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht.
Anders formuliert: Ist der Arbeitsausfall des Unternehmens das Ergebnis seiner Wettbewerbsschwäche, also seiner selbst zu verantworteten schlechten Position im Wettbewerb und nicht das Ergebnis der allgemeinen Konjunkturentwicklung, so gibt es kein Kurzarbeitergeld. Andernfalls könnte jedes Unternehmen, welches dem normalem Wettbewerb nicht standhält, mit Kurzarbeitergeld am Leben erhalten werden. Dies soll aber gerade nicht sein.

Begründungstiefe

Aus dem Vorgesagten folgt, dass der in allgemeinen Produktions- und Konjunkturvorgängen liegende Grund des Arbeitsausfalls des einzelnen Unternehmens sorgfältig und im Detail zu begründen ist, um einen ablehnenden Grundbescheid zu vermeiden.
Wie gesagt, in der Praxis finden sich oft Beispiele, in denen keine tragbare Begründung in diesem Sinne erfolgt. Das Ergebnis ist, dass entweder schon keine wirksame Anzeige des Arbeitsausfalls erfolgt ist oder die BA im Verwaltungsverfahren die Ergänzung und Konkretisierung verlangt. Durch dieses Hin und Her wird zumindest die Bearbeitungsdauer verlängert (wenn der Antrag nicht schon mangels dem Ansatz einer vernünftigen Begründung als nicht rechtzeitig gestellt bewertet wird).
Es deshalb zu raten, sorgfältig und im Detail die nachfolgenden Punkte bereits in der Anzeige aufzuführen:

• Branche und Produkte des Unternehmens
• Kunden und Lieferanten
• Geschäftsentwicklung in vergangenen Zeiträumen
• Umsatzplanung im aktuellen Geschäftsjahr
• Auftrags- oder Produktionsrückgang, der mit dem Beginn der Krise zusammenfällt oder später Auswirkung derselben ist
• geplanter krisenbedingter Umsatz, der der ursprünglichen Planung hinterherhinkt
• Untersetzung aller Punkte mit konkreten Zahlen
• Hinweise darauf, dass von einem Aufleben von Produktion und Umsätzen nach Ablauf der Krise auszugehen ist

Zwar ist die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, unmittelbar nach Eingang der Anzeige einen Bescheid zu erlassen, ob die Voraussetzungen für einen erheblichen Arbeitsausfall für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen. Aufgrund der aktuellen Vielzahl der eingehenden Anträge ist jedoch nicht zu erwarten, dass dies zeitnah geschieht.

3. Vermeidbare Verzögerungen und Vorfinanzierung

Die Folge ist, dass möglicherweise erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt die Bundesagentur die Unternehmer auf mögliche Mängel in der Antragsstellung hinweisen kann. Dann könnte dies aber möglicherweise zu spät sein. Zwar sollte die Bundesagentur prinzipiell eine spätere Nachbesserung der Begründung zulassen. Viele Unternehmen sind aber auf eine schnellstmögliche Auszahlung des Kurzarbeitergeldes angewiesen, denn dieses wird durch die Unternehmen vorfinanziert. Kann der Bundesagentur für Arbeit aber aufgrund einer unzureichenden Begründung nicht sofort entscheiden und sind Rückfragen und Ergänzungen notwendig, so zieht sich das Verfahren in die Länge. Es vergeht möglicherweise zu viel Zeit, um ein in Folge der Corona-Krise angeschlagenes Unternehmen noch zu retten. Ein oder zwei Monate Verzögerung, die in der Praxis bei Nachbesserungen beobachtet wurden, können für das Überleben eines angeschlagenen Unternehmens entscheidend sein.

Bearbeitungszeiten und Zwischenfinanzierung

Es ist zu hoffen, dass die Bearbeitungszeiten der Bundesagentur für Arbeit beschleunigt werden können. Aktuell kann man nur aus der vergangenen Krise aus 2007 bis 2009 (Weltwirtschaftskrise, Lehman Brother-Krise und Eurokrise) Schlussfolgerungen ziehen. Seinerzeit lagen zwischen Anzeige und Auszahlung manchmal 4 Monate. Ähnliche Zeiträume werden – hinter vorgehaltener Hand – auch für die jetzige Krise vorhergesagt. Es ist zu hoffen, dass die Entscheidungsträger verschiedene Maßnahmen ergreifen, um diese Zeiten zu verkürzen. Es lohnt gleichwohl die Überlegung, ob sich diese Bearbeitungszeiten, die vielleicht über Sein oder Nichtsein entscheiden, zwischenfinanzieren lassen, was aber an anderer Stelle behandelt werden soll.

4. Fazit

Für den Moment heißt es, trotz der krisenbedingten Hektik, die notwendige Sorgfalt bei den Vorgängen und den Verfahren im Zusammenhang mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld aufzuwenden, wenn es zu den beschriebenen Arbeitsausfällen kommt.

Das beginnt bei der Gestaltung der arbeitsvertraglichen Grundlagen und setzt sich über die Anzeige und insbesondere auch die Begründung für den Arbeitsausfall fort.
Damit kann der Unternehmer selbst zu einem beschleunigten Verfahren und einem schnellen Eingang des Kurzarbeitergeldes beitragen.

Sollten auch Sie als Arbeitgeber mit diesen Fragen konfrontiert werden und nach kompetenter anwaltlicher Beratung suchen, so freuen für uns über Ihren Anruf oder Ihre eMail.

RA Martin März
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